Subjektive Konzepte (reproduktiver) Gesundheit von Frauen als Gegenstand rekonstruktiver Forschung: Das Schweigen der Organe und der poröse Körper

Helfferich, Cornelia (2009): In: Neises, Mechthild; Weidner, Kerstin (Hg.): Qualitative Forschungsansätze und Ergebnisse in der psychosomatischen Frauenheilkunde. Lengerich u.a: Pabst Science Publisher, 47-63

Subjektive Gesundheitskonzepte verleihen körperlichen Zuständen einen Sinn und die Rekonstruktion dieses Sinns ist eine besondere Aufgabe qualitativer Sozialforschung. Eine Herausforderung liegt dabei darin, dass die Befragten zwar über Gesundheit und Körper sprechen können, dass aber das Konstrukthafte von Gesundheit und Körper nicht reflektiert werden kann. Der Körper und Gesundheit erscheinen so, wie sie vom Subjekt erlebt werden, von Natur aus gegeben – der Körper mit der Art seiner Körpergrenzen, seiner Konsistenz, seinem “Innen”, seinen Bestandteilen und dem Zusammenhang dieser Bestandteile, die Gesundheit als Körperzustand. Das sinnliche, leibliche Erfahrung des Körpers und der Gesundheit stehen für deren schiere Evidenz. Dass es unterschiedliche Wirklichkeiten des Körpers geben kann und dass der Körper zu anderen Zeiten und für andere Menschen in einer ganz anderen Weise gegeben sein kann, dass also das Erleben des Körpers durch eine Konstruktion angeleitet ist, ist schwer vorstellbar. Auch wenn bekannt ist, dass z. B. Kinder ein anderes Körperkonzept haben als Erwachsene, so können Erwachsene sich nur schwerlich in das Körperleben eines Kindes hineinversetzen. Barbara Duden (1987) hat ein Körperkonzept des frühen 18. Jahrhunderts aus den Protokollen eines Eisenacher Arztes rekonstruiert, nach dem das Körper-, Innen aus fließenden Säften besteht, und hat die Schwierigkeiten der Annäherung an diese fremde Vorstellung ausführlich beschrieben.